Fast hätte ich unser kleines Jubiläum übersehen!
Vor 20 Jahren haben wir mit einem Mailboxsystem experimentiert, um die fachinterne Kommunikation zu optimieren. Das von der Firma Qualcomm gelieferte Produkt war in der Tat eine Qual. Der PC diente damals noch als bessere Schreibmaschine. Die Kommunikation untereinander geprägt von langsamen Modems. Für Promotion und wissenschaftliche Artikel war das schon eine enorme Erleichterung. Mit dem Internet kam dann die Vernetzung.
Erst einmal einprägsame Domaines sichern war in 1996 eine der strategischen Hauptaufgaben. Langsam entstanden die ersten Homepages und Portale. Funk war noch out. So taten wir uns mit anderen Fachgruppen (z.B. Kinderärzte) zusammen und schufen das erste fachgruppeneigene Kommunikationsportal auf First Class Basis. Interessanterweise existiert dieses noch heute. Es hat eine eigene Kommunikationssprache, ist mit allen Standards (Win, Mac, Handy, Tablets) kompatibel und gilt heute noch als hochsicher. Es waren die Freaks, die damals die Entwicklung mitbestimmten. Immer etwas Neues, immer war man dabei! Immer vorne dran! Tolle Zeit! Kein Wunder, dass die Berufsverbände und deren Funktionäre oft Probleme hatten, gewisse Entscheidungen in Wirkung und Intention richtig zu beurteilen. So hatte man es als Sonderreferent für neue Medien nicht immer einfach. Immerhin ist damals bei Springer ein Buch entstanden: “Informationsmanagement in der Medizin“, was den damaligen Kenntnisstand eindrucksvoll dokumentiert. Einsteiger-Kurse für Kollegen und Fachforen wie „MEDCAST“ waren an der Tagesordnung, Schlaf ein Fremdwort. Die frühzeitige Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für sichere Datenverarbeitung in Darmstadt hat sich bis heute bewährt. Mit von der Partie in der ersten Stunde war auch immer Kollege Reinhold Dutz, dem ich an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank für sein herausragendes Engagement in IT-Fragen aussprechen möchte! Heute haben wir in der ADK einen eigenen Bereich für Bildanalyse und -visualisierung wie auch Datenschutz, der auf den damaligen Erkenntnissen und Erfahrungen aufbaut.
Heute sind wir vernetzt und transparent wie nie! Arztsuche, anonyme Bewertung und Praxismarketing finden über das Internet statt. Postkartenniveau als Datenschutz, das können wir aber in der Praxis selbst vergessen. Der große Bruder liest mit. In Zeiten von NSA durchweg ein Problem. Die Politik versteht all dies nicht, sonst würde sie auf internationaler oder zumindest europäischer Ebene zunächst die Datenschutzaspekte im Gesundheitswesen klären und dann nach für allen verbindlichen Standards könnte man die positiven Möglichkeiten des Internets Punkt für Punkt nutzen. Nun soll ein eHealth Gesetz her, um die Vernetzung in Deutschland wenigstens voranzutreiben und die bisher erfolgten erheblichen Investitionen in die GEMATIK zu einem guten Ende zu bringen. Das KV-Safe Net soll dabei keine zentrale Rolle spielen. Die große Koalition hat nach den Wartezeiten beim Facharzt jetzt eine neue Spielwiese gefunden. Ob da Gesetze helfen?
Die ersten Patienten in unserer Praxis verweigern die Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte. Interessanterweise fast alles Techniker und EDV-ler. Kommt nach dem Internet-Hype die Erkenntnis, dass man den Datenschutz in NSA-Zeiten bei den sensiblen Gesundheitsdaten nicht im Griff hat? Steht eine Renaissance der Karteikarte bevor?
Arzt und Ärztekammern sollten den Eid des Hippokrates in diesem Zusammenhang nochmals gründlich studieren. Wir dienen dem Wohl des Patienten und nicht dem Staat. Zweifelhafte Prozeduren sind abzulehnen. Insofern hat das BMG zunächst eine ureigene Bring Pflicht. Später kann es fordern.
Mit freundlichem nachdenklichen Gruß
Ihr
Dr. Matthias Herbst