Grußwort zum Jahreswechsel
Berufspolitisch hat das Jahr 2015 gezeigt, wozu ärztliche Körperschaften und Verbände fähig sind: es gibt kaum ein Feld, wo unsere Interessenvertreter sich gegen die Politik, Krankenkassen, Krankenhausverbände etc. durchgesetzt haben: ob es sich um das Versorgungsstärkungsgesetz mit der Einrichtung von Terminservicestellen handelt, ob es um die Einrichtung von Portalpraxen an Krankenhäusern geht, immer sind es die jeweiligen Ärztegruppen, die die Rechnung bezahlen dürfen. Ich hätte erwartet, dass sowohl Termin Servicestellen wie auch Portalpraxen an Krankenhäusern von entsprechenden Geldmitteln begleitet werden, sodass neue Leistungen durch neue Gelder finanziert werden. Hier wird aber fortwährend auch noch den einzelnen Facharztgruppen wie den Dermatologen die finanzielle Verantwortung für ihre Fachgruppe übertragen, ohne dass eine genaue zeitnahe Steuerung seitens der Fachgruppe möglich ist.
Dies betrifft sowohl die Terminservicestellen, wo die Inanspruchnahme klinischer Leistungen aus der jeweiligen Facharztgruppen finanziert werden soll wie auch die Portalpraxen an Krankenhäusern, die aus Geldmitteln der KV aufgebaut werden. Ganz zu schweigen vom hohen organisatorischen und IT-mäßigen Aufwand für die Einrichtung der Terminservicestellen zum Beispiel via Call Center.
Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen Gesetze aus dem Bereich Informationsverarbeitung und Datenschutz, ich nenne das eHealth Gesetz, das uns bestimmte Prozeduren bei der Abarbeitung unserer Patientendaten vorschreibt, das IT Sicherheitsgesetz, das uns verpflichtet betriebliche Datenschutzpannen öffentlich zu machen und entsprechende Geldstrafen bei Mängeln vorsieht. Weiterhin auch die neuen EU Richtlinien zum Datenschutz, die dokumentieren, dass ein gemeinsames Europa mit jeden Tag in weitere Ferne rückt und nur noch grobe Rahmen für den Datenschutz vorsieht, ja es sogar fraglich macht ob in Zukunft ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter, wie in einer Einrichtung mit mehr als neun Mitarbeitern die Zugänge zum IT System haben in Deutschland vorgeschrieben ist, weiterhin europäischer Standard bleibt.
In Hessen wird dies noch ergänzt durch das Hereindrücken von KV Safenet in die Praxen der niedergelassenen Ärzte. Eindrucksvoll zeigt sich gerade in der Umsetzung welche Probleme gerade eine Ausbreitung von personensensibler Infrastruktur im IT-Bereich gerade in der Fläche macht, insbesondere, was die Kenntnis notwendiger Sicherheitsbestimmungen bei den jeweiligen örtlichen Dienstleistern angeht. Hier plant die hessische Landesärztekammer auf Anraten ihres Telematik -Ausschusses in der Zukunft entspreche Schulungen durchzuführen und Zertifikate auszustellen. Dies ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Auf einer ganz neuen Ebene verlaufen zukünftig die Verfahren bei Verdacht auf Verstoß gegen die ärztlichen Berufspflichten. Wo bisher die Berufsgerichtsbarkeit über Recht und Unrecht befand, tut dies zukünftig die Staatsanwaltschaft auf Antrag zum Beispiel der KV, der Kammer aber insbesondere auch der Krankenkassen, die verpflichtet sind entsprechende Hinweise von Patienten aufzunehmen und weiterzugeben. Besprechen Sie schon einmal mit ihrem Anwalt das Vorgehen bei einer Hausdurchsuchung! Wir sind ab sofort erpressbar!
Nun sollte man meinen, dass der Grausamkeiten genug aufgezählt sind, da steht uns für 2016 als Topthema die Reform der Gebührenordnung für Ärzte also unserer wichtigsten Finanzen ins Haus. Die Gebührenordnung wurde hinter verschlossenen Türen geboren, was in diesem Bereich nichts Ungewöhnliches ist, hier ist ein stetiges hoffen auf die Kompetenz und Durchsetzungskraft eines Berufsverbandes sicherlich sinnvoll, in unserem Fall sollten es vielleicht sogar Gebete sein. Was einem zu denken gibt, sind dem Vernehmen nach die Einführung von Leistungskomplexen und Abrechnungsausschüssen wie im EBM, um die ärztlichen Maßnahmen und somit den Geldfluss zu steuern. Somit verlieren wir also als Ärzte endgültig die Unschuld sprich auch in diesem Bereich wird die Bürokratie in Zukunft fröhliche Urstände feiern und die medizinische Kompetenz der Struktur einer Gebührenordnung untergeordnet werden. Ob ein Privatpatient dann allerdings noch einen Vorteil sieht zwischen der gesetzlichen Krankenkasse und einer privaten Krankenversicherung ist die große Frage. Ich jedenfalls wäre nicht bereit in einem derartigen System weiter extra Geld unterzubringen. Aus volkswirtschaftlicher Hinsicht sollte man dann nicht gleich eine Gebührenordnung beschließen und die Hosen einmal auf gut Deutsch gesagt herunterlassen? Dies würde viel Bürokratie und doppelten Abrechnungswirrwarr ersparen. Gleichzeitig würden die geschmähten Igel-Leistungen endlich verschwinden und letztendlich wären auch die niedergelassenen Facharztpraxen nach etlichen politischen Klimmzügen pleite und somit Fachärzte nur noch an den Kliniken zu finden. Die Poliklinik nach altbewährten ostdeutschen Muster wäre die Folge, die Versorgung nicht nur der einheimischen, sondern auch der Flüchtlinge auf volkseigenem Niveau gewährleistet und dank der Vorsorge im IT-Bereich kann man auch sofort feststellen, wenn nicht kompatibel zum System arbeitet. Hurra, Ossiland ist wieder da!
1984 nach George Orwell ist gar nicht so weit entfernt, insbesondere, wenn man die Reaktion der internationalen und nationalen Politik nach den Anschlägen von Brüssel und Paris betrachtet. Es gehört ein sehr feines Augenmaß dazu in Übereinstimmung mit unserer Verfassung und unter Bewahrung der persönlichen Freiheit die richtigen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu ergreifen. Nun hat der Zuzug von über 1 Million Flüchtlingen zu ganz neuen Herausforderungen im Gesundheitswesen In Deutschland gesorgt. Zunächst einmal sollte festgehalten werden, dass der ärztliche Berufsstand sich dieser Herausforderung sofort und überwiegend uneigennützig angenommen hat. Dass man deshalb wie der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery gleich die Einführung der Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge fordern muss, ist natürlich aus seiner Position aus dem Marburger Bund heraus geprägt. Offensichtlich hat er nicht verinnerlicht das zuerst geklärt werden muss, wer für die Kosten aufkommt. In jedem Fall ist zu vermeiden, dass Leistungen aus dem Bereich GKV die Flüchtlingsversorgung quer finanzieren. Dies hat aus Steuermitteln zu erfolgen, die Bereitstellung der Ressourcen aus dem GKV System ist schon ein besonderer Aufwand, über dessen Finanzierung noch getrennt diskutiert werden muss.
Auf jeden Fall ist festzuhalten, dass der Ruf „die Grenze ist offen“ von Frau Merkel im September 2015 zu einer beispiellosen Odyssee aller möglichen Arten von Flüchtlingen nach Deutschland geführt hat. Ob diese Feststellung überhaupt von unseren Gesetzen gedeckt ist oder ob der Bundestag bzw. die Europäische Union bzw. weitere Regierungen hätten zustimmen müssen, bevor ein solcher Ruf erfolgt ist zurzeit Gegenstand einer Begutachtung durch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Ich gehe davon aus, dass hier das Vorliegen eines Notfalles dem Bundeskanzler diese Möglichkeit einräumt, ist die definierte Notlage aber beendet und das war nach ungefähr 14 Tagen der Fall müssen gerade bedingt durch die internationale Sicherheitslage weitläufige Kontrollen sämtlicher ein Reisender erfolgen. Dies wurde im Jahre 2015 zumindest nicht erreicht. Das ausgerechnet ein Land, das jahrzehntelang eine innerdeutsche Grenze bis zum Exzess bewacht hat, nicht in der Lage sein soll, seine Außengrenzen zu schützen ist lachhaft. Im Sinne eines gemeinsamen Europas sowie der Sicherheit des Schengen Raumes inkl. Reisefreiheit ist hier ein gravierendes fortwährendes Versäumnis der Politik zu erkennen. Bei unseren Verbündeten gerade auch in den USA gilt Deutschland daher als ein unsicherer Kandidat und so wird auch entsprechend eine Reisewarnung ausgesprochen. Ich bin gespannt wie im Jahre 2016 im Zeichen von Landtags Kommunalwahlen dieser Angelegenheit an Fahrt gewinnt. Ich wünsche uns allen das wir nicht durch Vorfälle wie in Paris und Brüssel die unschöne Seite von Hilfe an Mitmenschen kennenlernen müssen. Die Politik jedenfalls vollführt täglich Kunststücke auf einem Drahtseil, die Schwankungen des Seils nehmen dabei täglich deutlich zu. Die Spaltung der Gesellschaft hat unter dieser Politik massiv zugenommen, dieses Rezept kennen wir ja zu genüge aus dem Umgang mit der Ärzteschaft, wo zunächst Haus- und Fachärzte getrennt wurden, danach angestellte Ärzte und niedergelassene Ärzte in den Praxen, wo also die Solidarität und die Bemühungen um solche durch die Politik konterkariert werden.
Es ist dringend erforderlich, dass die wenigen Kollegen, die sich in ihrer Freizeit überwiegend für ärztliche Standes und Politik engagieren hier vermehrt durch die Mitglieder der Verbände etc. unterstützt werden. Umgekehrt muss aber auch klar sein, dass hier nicht das Werk der Politik als KV Funktionär zu unterstützen ist, sondern die spezifische Interessenslage der Ärzteschaft, man notfalls also ruhig einmal einen Konflikt in Kauf nehmen muss bzw. auch zu streikähnlichen Prozeduren greifen muss. Die Politik muss wieder lernen, dass die Ärzteschaft handlungsfähig ist.
Zu Silvester wurde ich gefragt was müssen wir für das neue Jahr an Zielen anvisieren und ich habe ganz einfach gesagt, dass uns die Freiheit unserer Berufsausübung und die Freude auch über 2016 hinaus erhalten bleiben möge. Dazu gehört auch frei für den Patienten richtige und sinnvolle Leistungen entsprechend ansetzen zu dürfen und ebenfalls medizinisch nicht notwendige Leistungen entsprechend als Wahlleistung weiter kostendeckend erbringen zu können. Hier wird die ADK gerade auch über unsere Vorsitzende Frau PD Dr. Claudia Borelli und ihren Sitz und Stimme beim außerordentlichen Ärztetag am 23.1.2016 in Berlin versuchen das für unser Fach Notwendige und Sinnvolle zu vertreten.
Mit freundlichem kollegialen Gruß
Dr. Matthias Herbst
Vorsitzender QSD e.V.